7. Wacker Radtour „Radeln im märchenhaften Nordhessen“


Die 7. Auflage der Wacker-Radtour führte vom 30. Mai – 02. Juni 2002 auf den „Spuren Kurt’s“ durch Nordhessen.

Hans-Peter schrieb:

Es war einmal…

da geschah es, dass 17 Leutchen, acht Männlein an der Zahl und neun Weiblein, sich Anno 2002 aufmachten, um in Fritzlar, der Domstadt an der Eder, schon sehr zeitig am Tag, da man ansonsten dem Fronleichnam fröhnte, radelnd sich flussaufwärts fortbewegten.
Um die Stelle des Aufbruchs auch wiederzufinden, ließ ein Männlein, jung an Jahren und frisch vermählt, seinen Ring als Pfand im grünen Gras zurück.
In langer Reihe, Rad an Rad, und in farbenfrohe Gewänder gehüllt, zogen die wackeren Radelsleute schon bald durch die Ederauen, an vielen kleinen Weilern und sonstigen Ansiedlungen vorbei, mit den schön klingenden Namen wie Ungedanken, Mandern, Wega, Wellen, Anraff, Giflitz und vielen anderen mehr, bis sie das trübe Wasser des Affoldener Sees erreichten, an diesem vorbeizogen, die erste Höhe zu erklimmen hatten und dort oben hinter Nemfurth sich in einem geräumigen Gasthof namens Dornröschen niederließen, um sich an Seniorenspeiß (Hans-Moser- oder Grete-Weiser-Teller) und Trank zu labsalen.
Nachdem mit einigem Gelächter die Mittagsruh in der Sonne vorübergezogen war, brach man wieder auf, um alsbald in ein „Oh wie schön“ oder „Welch toller Ausblick“ zu verfallen, da gerade die schönste Stelle des Edersees am Südufer erreicht war, mit all seinen adretten Segelbootchen, den Ausflugsbooten und was es ansonsten noch alles an touristischen Merkwürdigkeiten zu sehen gab.
Weiter rollte der Tross durch eine Schonung, edle Knappen hielten das Wildgatter auf, die Mündungen der Banfe und des Keßbachs luden ein zum Verweilen, und bald kamen die Radler, nachdem sie auch die prachtvollen Zelte in Asel-Süd bewundern durften, in Herzhausen an und überquerten die Eder auf der alten Steinbrücke.
Einige hilfreiche Helfer konnten einem Fahrradschlauch recht bald wieder die notwendigen Formen geben, bevor es auf einem Waldweg an der Nordseite des Edersees entlangging, immer wieder in der Gefahr, den Abhang zum See hinabzustürzen, aber dann plötzlich, mit einer abrupten Kehrtwendung nach links, sollte über einen einsamen Waldweg die Höhe bei Vöhl erklommen werden, was einge der Weiblein, aber auch Männlein dazu bewegte, ihre Drahtesel nicht mehr vom Sattel aus zu steuern, sondern durch Schieben die ach so steile Steigung zu bewältigen.
Die Strapazen wurden dann mit einer rasanten Abfahrt nach Vöhl belohnt, wo sich die Gruppe – wie sehr oft – wieder sammelte, um dann dem ersehnten Ziel über abermals mühsame Steigungen entgegen zu radeln (bzw. zu schieben). Schon bald konnten die mächtigen Türme der Nikolaikirche von Korbach erspäht werden, das Tagesziel nahte. An recht alten Fachwerkhäusern vorbei ging es zur ersehnten Bleibe „Zur Waage“, die müden Beine mit all ihren Muskeln wurden gepflegt, um dann in antiquarischem Ambiente in der Gaststätte Kilian mit reichhaltigem Mahl und entsprechendem Alkohol sich zu entspannen.
Abends konnten sich noch einige Recken aufraffen, einen Abendspaziergang zu unternehmen, um sich die Sehenswürdigkeiten angedeihen zu lassen wie ein fränkisches Wohnhaus oder das Rathaus von 1337

Am nächsten Tag, ohne der Korbacher Spalte Beachtung geschenkt zu haben, versammelten sich alle Gesellen unter dem Pranger, lichteten sich gegenseitig ab und verließen die Stadt ostwärts.
Sie erklommen waldreiche Anhöhen, sammelten ein paar Nachzügler erst in Ober-Waroldern und dann in Nieder-Waroldern ein, radelten an den Gestaden des Twistestausees entlang, während sich zwei wackere Knappen aufmachten, einen Abstecher in das braune, aber dennoch hübsch anzusehende Arolsen zu wagen.
Das liebliche Tal der Twiste endete, nachem noch in Volkmarsen die rustikale Kugelsburg im Vorbeifahren zur Kenntnis genommen werden konnte, in Warburg, da die Twiste dann von der Diemel aufgenommen wurde.
Der heiße Tag forderte seinen Tribut und so musste der Tross an einem holden Brunnen Ave Maria schon eine lange Pause einlegen, um die Waden zu entspannen, der Kehle Flüssigkeit zukommen zu lassen oder auch die eine oder andere Nahrung aufzunehmen. Einige der nicht ruhen Wollenden machten sich sogar auf, der Oberstadt einen Besuch abzuleisten, über steile Treppen und enge Gassen, bestanden mit Fachwerkhäusern der Spätgotik, bestaunten die gewaltigen Wehrmauern, Türme und Tore aus dem 14. Jahrhundert.
An der lieblichen Diemel entlang, durch Orte wie Naueda und Liebenau, strebten die unermüdlichen Gefährten fast ohne weitere Rast ihrem Tagesziel entgegen, konnten noch einige Kanus oder sonstige Bootchen auf der Diemel grüßen und ohne nochmals eine Höhe erklimmen zu müssen war bald das Hofgut Stammen in Sicht. Es wurde abgesattelt und stracks der Biergarten der Wirtschaft „Huckebein“ angesteuert , um das verdiente Nass die Kehle runterrinnen zu lassen.

Die Stallungen mit ausreichend Stroh versehen, wurden argwöhnisch beäugt, da dort das Nachtlager vorgesehen war. Die Einteilung wurde vorgenommen, wer mit wem nächtigen solle, und danach konnte in aller Ruhe das Nachtmahl zu sich genommen werden.
Aber auch hier kamen einige wieder nicht zur sofortigen Ruhe, schwärmten aus nach dem nahegelegenen Trendelburg, um am wuchtigen Bergfried der gleichnamigen Burg, nach kurzem steilen Anstieg, zu schauen, ob Rapunzel mal wieder ihr Haar herunter ließ.
Andere vom Tross, dem Stroh nicht zugetan, kehrten ein bei Baumann, gerieten in eine ausgelassene Hochzeitsgesellschaft, konnten die Braut, von der sie alle herzhaft geküsst wurden, aber nicht entführen, so dass auch sie sich alsbald trotz Getöse und Getose zur Ruhe begaben, da ja der nächste Tag mit all seinen Strapazen auf sie wartete.

Am Morgen trafen sich alle Fahrensleute wieder auf der saftigen Wiese im Tal der Diemel, unterhalb des Turmes, an dem Rapunzel immer noch nicht ihr goldenes Haar heruntergelassen hatte, so dass die Meute, ohne diesen Blick erhaschen zu können, den Ort namens Trendelburg flußabwärts verließ. Sie erreichten recht bald den Weiler Wülmersen, ohne dem dortigen Wasserschloss Beachtung zu schenken. Hier teilte sich die Gruppe auf, die einen gegen Bad Karlshafen an der Diemel weiter zu radeln, um sich die alte Hugenottenstadt anzuschauen und die durch das Gradierwerk entstehende gesunde Luft einzuatmen, die anderen, zu neuen Taten bereit, auf einem beschwerlich stetig ansteigenden Waldpfad, immer in der Gefahr absteigen zu müssen, bis sie nach rasanter kurzer Abfahrt die Hugenottensiedlung Gottsbüren erreichten, sich eine kurze Rast gönnten, um dann die Anfahrt zur Sababurg zu bewältigen. Auch hier waren noch die Auswüchse einer Hochzeit zu bemerken, ohne dass sich aber Dornröschen, die dort zu wohnen oder zu schlafen pflegt, den radelnden Gästen zu Angesicht zeigte.
Währenddessen diese Radler bei ihrer Reise durch den Reinhardswald immer wieder damit rechnen mussten, von Räubern aufgehalten zu werden, aber sich dennoch nicht abhalten ließen, sich in die Geheimnisse des dort befindlichen Urwalds einweihen zu lassen, die nur durch Vogelgezwitscher durchbrochene Ruhe genossen, kehrten die anderen flach radelnden Übrigen alsbald, nachdem sie Gewissenruh an sich hatten vorbei ziehen lassen, in ein gastfreundlichen Haus ein, um ihre Augen einem gewissen runden Ding für ein paar Stunden folgen zu lassen. Ein Abtrünniger kehrte zu diesem Zweck sogar im „Scharfen Eck“ ein, ohne sich von den dort ansässigen wilden Gestalten hiervon abhalten zu lassen.
Alle Versprengten, ob sie nun im Tal der Weser oder im Dickicht des Reinhardwaldes sich fortzubewegen sich mühten, trafen dann am späten Nachmittag in dem malerischen Städtchen Hannoversch Münden zusammen, um sich nicht nur an dem Kuss von Werra und Fulda , sondern auch an den schmucken überreichlichen 700 Fachwerkhäusern zu ergötzen und sich danach dem Mahl in der im englischen Kolonialstil ausgestatteten Schlossschänke hinzugeben.
Einige wiederum, die schon die Mühe zu ihrer hoch gelegenen Heimstatt nicht scheuten, war es auch nicht zu viel, sich trotz Orientierungsschwierigkeiten aufzumachen, das Tanzbein schwingen zu wollen. So war auch dieser Tag aktiv bis zum Ende verbracht worden.

Am nächten aber auch letzten Tag konnten sich die Fahrensleute zwischen Hannoversch Münden und der großen Stadt Kassel im Tal der Fulda sattelfest zeigen. Eine übergroße Anzahl von Menschen kam ihnen auf ihren Rädern entgegen, um ihnen ihre Reverenz zu erweisen. Blaue Mützen, aber auch solchfarbene Luftballons wurden als Gaben überreicht, an extra errichteten Zelten wurden kleine Happen und Getränke kredenzt. Doch auch dieses all konnte bald hinter sich gelassen werden, an den Ufern der Fulda wurde Kassel durchquert, selbst ein Schlaraffenland des Bieres wurde fahrend links liegen gelassen, so dass nahe Guxhagen die Gruppe alsbald in einem schmucken Gartenlokal einkehren konnte, um sich an Pasta und Pizza laben zu können und sich einen tiefen Schluck aus den vollgeschenkten Krügen zu gönnen.
Der nächste Anstieg geriet in Folge um so schwerer, um dann bei Altenbrunslar das Tal der Eder erreichen zu können. Voller Eifer, bald nach Felsberg eine weitere Burg zu sichten, strebten sie allesamt zügig dem Ziel entgegen, erreichten Fritzlar, ein letzter Anstieg zur Altstadt, bewundernde Blicke auf den Marktplatz mit dem ältesten Rathaus Deutschlands und dem Hochzeitshaus und dann zur letzten Rast in einem adretten Garten eines Cafes, ein tiefer Schluck, ein paar Törtchen, ging es in einer stetigen Abfahrt zur Stätte, an der die Reise begonnen. Eine letzte Ablichtung, das Aufsatteln der Räder und dann in alle Winde davon.
Zurück bleiben märchenhafte Erinnerungen.

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